Die Sonne hat ihren Zenit gerade überschritten und sich dabei wieder durch eine dicke graue Wolkenschicht geschoben. Sofort wird es unangenehm heiß. Es ist Regenzeit in Südafrika – auch in der Limpopo Provinz. Doch nicht überall kommt der Regen an. Im Norden, im Gebiet der Venda, hat es viel zu wenig geregnet – die Gegend ächzt unter einer Hitzewelle.
Genau dort liegt mein heutiges Tagesziel. Zunächst möchte ich eine außergewöhnliche Sehenswürdigkeit besuchen: den „Sagole Big Tree“, einen Baobab mit gigantischen Ausmaßen. Tags darauf geht es dann weiter mit Dr. Sarah Venter, Baobab-Ökologin und Unternehmerin, und Kleinbäuerinnen aus der Gegend. Wir werden kleine Baobab-Setzlinge auspflanzen und vermessen.
Vorbereitung ist Trumpf
Das Beladen meines Kleinwagens geht schnell – das meiste sind Lebensmittel und Wasser, denn das Baobab-Gebiet ist ländlich und Einkaufsmöglichkeiten eher selten. Da ich keinen Geländewagen fahre, muss ich eine längere aber dafür asphaltierte Strecke in Kauf nehmen – was ich gerne tue.
Auf einer meiner vorherigen Reisen war ich mit einem normalen PKW auf einer Umleitungsstrecke in tiefen Sand geraten. Damals musste ich zwei in der Fahrspur dösende Esel sanft aus dem Weg bugsieren, um nicht stecken zu bleiben. Anhalten wäre fatal gewesen und die Esel hat es anscheinend nicht weiter gekümmert – einen großen Schritt neben der Spur dösten sie einfach weiter, als ob nichts gewesen wäre. Mein Gefühl war trotzdem schlecht und Sand ist noch nie mein Freund gewesen… Ein derartiges Erlebnis wollte ich heute nicht riskieren.
Orientierung ist wichtig
Meine Gastgeberin hat mir von Hand eine Karte gezeichnet. Ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob es wirklich eine gute Idee war, die Fahrt ganz alleine auf mich zu nehmen. Natürlich gebe ich das nicht zu – ich nehme die Karte dankend an und hoffe, alle Punkte zum Abbiegen rechtzeitig zu erinnern. Mit Straßenbeschilderung wäre ja einfach – darauf kann man sich hier aber nicht immer verlassen. Manchmal sind die Schilder auf Holzpfosten genagelt. Kommen Termiten vorbei, sind sie Geschichte, denn die Insekten haben Holz zum Fressen gern.
Dafür achtet man am besten an hervorstechenden Orientierungspunkten: einem mitten in die sonst gebäudefreie Landschaft gebauten Hospital, Gemüseständen vor einem relevanten Abzweig, dem außergewöhnlich geformten Baobab oder einem liegen gebliebenem LKW. Navigationsgeräte sind zwar eine nützliche Erfindung und ich führe auch eines mit im Gepäck – aber ich müsste auch einen Ortsnamen haben, den das Gerät erkennt…
Von der Intuition geführt
Die Straße schlängelt sich durch kleine Ortschaften. Ich komme an abgeholzten Wäldern vorbei und fahre durch Täler und über Hügel. Viel junges Volk ist unterwegs – die Kinder und Jugendlichen legen teils lange Strecken zu Fuß zu den Schulen in der Gegend zurück. An sich eine sehr nette Gegend, trotzdem begleitet mich eine gewisse innere Unruhe. Ich weiß nicht, was mich erwartet.
Die geschätzten Entfernungsangaben auf meiner Karte entpuppen sich als äußerst gewagt. Zum Glück verfüge ich über ausreichend Experimentiergeist und folge meiner Intuition so lange, wie mir der Straßenverlauf richtig erscheint. Einmal frage ich einen freundlichen Mann an einer Tankstelle, der mir gerne weiterhilft.
Viel Verkehr herrscht nicht – das ist in dieser abgelegenen Gegend auch nicht zu erwarten. Ich sehe meine ersten Baobabs und bin glücklich. Sogar an einem Baobab Wäldchen komme ich vorbei. Kurz vor „Schluss“ tauchen doch noch Schilder mit dem ersehnten „Big Tree“ auf. Es ist nicht mehr schwer, ihnen zu folgen.
Endlich angekommen
Die Sonne steht schon deutlich tiefer, als ich an meiner Unterkunft eintreffe. Ich checke ein und hoffe, dass die angekündigte Klimaanlage auch funktioniert. Es ist deutlich heißer hier als noch in Louis Trichard, das immer wieder seinen Namen wechselt und inzwischen wieder Makhado heißt.
Meine strohbedeckte Hütte ist stickig und ähnelt einem Backofen. Einfach die Fenster aufreißen ist keine gute Idee – gerade in der Regenzeit (ob mit oder ohne Regen) haben Anopheles-Mücken, die Überträger der Malaria, Hochsaison. Da ich keine Lust auf Schlafgäste habe, bleiben die Fenster zu.
Baobab Ausflug fällt ins Wasser
Ich bringe mein Gepäck in die Hütte und schnappe mir meine Kamera. So schnell wie möglich will ich dem „Big Tree“ einen Besuch abstatten. Draußen sehe ich, wie sich über dem Hügel hinter meiner Hütte eine riesige schwarze Wolke auftürmt – sie kommt schnell näher. Habe ich tatsächlich Regen mitgebracht?
Ich beeile mich und fahre los. Vermutlich hat an diesem Nachmittag keiner mehr mit Besuchern für den Baum gerechnet. Erst nach einigem Rufen schiebt sich ein kleiner Mann aus dem Wärterhäuschen. Die Verständigung ist schwierig. Nicht jeder in dieser Gegend spricht Englisch – aber ich bin vorgewarnt. Mit Händen und Füßen mache ich mein Anliegen klar, bezahle meinen Obolus und werde zum Baum vorgelassen.
Meine Freude währt ganze fünf Minuten, dann geht ein Gewitterschauer nieder, der sich gewaschen hat. Es regnet sich richtig ein und ich schaue, dass ich aus dem unbefestigten Gelände mit dem Wagen herauskomme, bevor es matschig wird. Mein kleiner Ausflug ist beendet und enttäuscht fahre ich zur Unterkunft zurück.
Zum Tagesausklang: Jagd
Es hört nicht auf mit schlechten Nachrichten – die Hütte ist immer noch unerträglich heiß aber Dank des Gewitterregens, der sicher gut ist für die Natur, haben wir nun einen Stromausfall.
Mein Abendessen nehme ich im Schein einer Kerze zu mir – die Küche hat mir ein bisschen Gemüse mit Reis zubereitet und sogar einen kleinen Salat. Ich sehe nicht, was ich esse aber alles schmeckt gut. An Schlaf ist in dieser Nacht nicht zu denken – ein Gewitter folgt auf das nächste und es ist einfach viel zu heiß dafür. Irgendwie hat sich doch eine Stechmücke in meine Hütte gezwängt. Im Schein meiner Stirnlampe gehe ich auf die Jagd.