Ich bin auf „Baobab-Mission“ im Venda Gebiet in der Limpopo Provinz in Südafrika. Dort habe ich mich in einer einfachen Lodge im Dorf Zwigodini eingemietet. Kaum hatte ich meine Rundhütte bezogen und war zu meinem ersten Besuch beim Sagole Big Tree aufgebrochen, als schon das erste heftige Gewitter niederging.
Ihm folgten weitere – die ganze Nacht. Ein Stromausfall war schon am Abend die Folge und bei gefühlten 60 Grad in der Hütte wurde es eine drückende, heiße Nacht. Zwei Mal sprang die Aircondition für wenige Sekunden an, sonst blieb sie tot. Regengüsse platschten auf das grasgedeckte Dach. Neben der gewaltigen Geräuschkulisse hat mich eine Stechmücke wach gehalten. Erwischt hat sie mich nicht.
Auf zum größten Baum in Venda
Nichts hält mich am Morgen in der Hütte – ich breche früh auf zum größten Baobab im Gebiet der Venda. Die Straße ist vom Regen immer noch nass. In dem kleinen Schutzgebiet um den Big Tree sieht es nicht besser aus. Ich soll mit dem Wagen bis zum Baum fahren, sagt mir der Mann am Eingang.
Skeptisch rumple ich mit dem Auto auf der schmalen Sandpiste voran. Mit der ersten tiefen Pfütze nehme ich es mutig auf und bleibe fast stecken – das hätte mir gerade noch gefehlt! Vor der zweiten parke ich den Wagen mitten auf dem Weg. Mit weiteren Besuchern ist heute sowieso noch nicht zu rechnen. Es ist viel zu früh.
Heute in Sattgrün
Der Himmel ist immer noch wolkenverhangen, die Büsche um mich herum tropfen kräftig ab. Ich trete auf die Grasfläche. In voller Blätterpracht steht er da, der Sagole Big Tree. Die Farbe der Blätter wirkt heute dunkel, von weitem sieht der Gigant sogar etwas gespenstisch aus. Zuletzt habe ich ihn während der Wintermonate auf einer früheren Reise gesehen. Damals völlig kahl. Noch nicht einmal Früchte waren ihm geblieben. Das ist Jahre her.
Sinnbefreiter Vandalismus
Zum Glück ist das hässliche Eisengitter verschwunden. Sehr zur Freude der Fotografen. Zum Schutz des Baums hat es sowieso nie wirklich getaugt. Vandalen hat es nicht abgehalten. Wer immer sich dazu berufen fühlte, fand einen Weg, sich namentlich in Stamm und Ästen zu verewigen oder unsinniges Zeug mit spitzen Gegenständen in die verletzliche Rinde zu ritzen.
Normalerweise übersteht ein Baobab das gut – doch sind die Verletzungen zu tief, können Keime eindringen und ihn dauerhaft schädigen. Optisch ist das Gekritzel sowieso eine Zumutung. Einzig für Historiker und Archäologen können alte Inschriften Hinweise liefern – beispielsweise von Entdeckern, Abenteurern und Reisenden wie Livingstone, Green oder Chapman. Heute gibt es wesentlich bessere Möglichkeiten, um sich mitzuteilen und sich zu verewigen. Ein Post im Internet genügt.
Bezaubernde Blütenpracht mit schillernden Tropfen
Ich gehe staunend um den Riesen herum. Nichts scheint sich verändert zu haben. Er steht kraftvoll wie eh und je. Über Nacht haben sich neue Blüten geöffnet. Ich bin verzückt. Sie sind noch voller Wassertropfen und ich kann mich gar nicht satt sehen an der Blütenpracht. Der Sagole Baobab gehört zu den größten lebenden „Angiospermen“, also den größten blühenden Pflanzen weltweit.
Bienen versuchen ihr Glück am Stempel im Inneren der Blüte. Von Dr. Sarah Venter, ihres Zeichens Baobab Ökologin, weiß ich, dass sie um diese Zeit längst befruchtet sein müssen. Baobabs öffnen ihre Blüten in den frühen Abendstunden und sind über Nacht etwa 12 Stunden fruchtbar. Jetzt sind sehen sie zwar noch frischt aus, sind aber schon am Welken. Bis zum Mittag fallen sie vom Baum und werden von Ziegen und Rindern verspeist. Aber bis dahin habe ich ausreichend Zeit, um den Anblick zu genießen.
Champion Tree mit Baobabseglern
Der Baum wirkt mit seinem Blätterdach so vollkommen anders als zur Trockenzeit und ohne Blätter. Voller Leben. In Südafrika zählt er zu den „Champion Trees“, zu Deutsch „Rekordbäume“. Damit gehört er zu den größten und stärksten seiner Art. Der Sagole Big Tree ist 22 Meter hoch, hat einen Stammumfang von 33,72 Metern und eine Krone, die 41,7 Meter misst.
Er ist aufgegliedert in mehrere Stämme, wirkt aber erdnah wie ein zusammenhängender Baum. Zwei der Stämme sind innen hohl. 10 Personen haben im größten Stamm bequem Platz. Dieser wird aber nicht von Menschen, sondern von Mottled Spine Tails oder zu Deutsch passenderweise Baobabseglern bewohnt. Sie leben über Afrika verteilt bevorzugt in Höhlen und Nischen der Baobabs.
Üblicherweise treten die Vögel in Gruppen von etwa fünf bis sechs Tieren auf. Der Sagole Big Tree beherbergt zeitweise bis zu 300. Das an sich ist schon eine Besonderheit, denn es handelt sich um die größte Kolonie in Afrika. In Südafrika gibt es im Krüger Nationalpark nur zwei weitere Standorte, an welchen die Vögel heimisch sind.
Sagole Big Tree – Honig tragender Methusalem
Eine Karbondatierung hat ergeben, dass der Big Tree 1.200 Jahre alt ist. Man könnte meinen, das wäre ein stolzes Alter für einen derartigen Riesen. Für seine Größe ist er jedoch noch sehr jung. Sarah erklärt mir, dass wahrscheinlich äußerst günstige Lebensumstände, beispielsweise viel Wasser, zum vermehrten Größenwachstum beim Big Tree geführt haben. Sie vermutet, dass die anderen Baobabs in der Umgebung genauso alt sind – aber eben weniger Glück hatten, denn sie sind viel kleiner.
Die Rinde am Baum ist grau. Sie fühlt sich glatt und kühl an. Zum Klettern sind das nicht die besten Bedingungen. Da Baobabs kleine Ökosysteme in sich sind, beherbergen sie meist Bienenstämme. So auch das Exemplar vor mir. Um es sich leichter zu machen, treiben andernorts die Menschen Pflöcke in die Stämme und klettern daran hoch. So kommen sie an den begehrten Wildhonig.
Im Innern muffig
Ich begutachte das Innere des großen Stamms. Auch hier sind Bienen zu Hause. Der Aufenthalt in der Höhle wird aber nicht nur durch die etwas stechwütigeren afrikanischen Exemplare erschwert. Hier riecht es einfach unangenehm. Wahrscheinlich wird der Riese als Urinal zweckentfremdet. Schnell kehre ich an die frische Luft zurück.
Nach mehreren Baum-Umrundungen und Stunden des Staunens an diesem besonderen Ort mache ich mich schweren Herzens wieder auf den Weg zu meiner stickigen Unterkunft. Wer weiß, ob und wann ich den geliebten Riesen wiedersehen werde…
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War gerade dort und muss sagen – es ist beeindruckend, dass ein baum sooo groß und stark wird. Die blüten erscheinen etwas klein, aber auch sie sind originell. Ich genoss die ruhe und ausstrahlung des riesen.
Liebe Frau Gielen, vielen Dank für Ihren Kommentar – ja der Sagole Big Tree ist ein ganz besonderer Baum. Schön, dass Sie auch die Blüten sehen konnten! Da haben Sie die richtige Zeit erwischt. Herzliche Grüße, Heike Pander